Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Mord auf Bestellung

Artikel von Carsten Andersen - © Politikens netavis vom Sonntag, 13. Januar 2002
Patrick Zöller hat den Artikel für schwedenkrimi.de übersetzt und redaktionell bearbeitet.
Gretelise Holm
Die Autorin Gretelise Holm
Auf Aufforderung eines Verlags hat die 55-Jährige Gretelise Holm eine dänische Version der zurzeit so beliebten Frauenkrimis geschrieben, die die Leser zuletzt gleich tausendfach verschlangen, wenn die Autorinnen nur Liza Marklund, Anne Holt, Helene Thursten, Sue Grafton oder Sara Paretsky hießen. Mit ihren Geschichten, in deren Zentrum stets weibliche Hauptfiguren zwischen 30 und 60 stehen, treffen sie präzise den Geschmack der dänischen Leserinnen und Leser. Doch war die Leserschaft Dänemarks bislang auf die Bücher ausländischer Autorinnen angewiesen, wollte man einen der populären Frauenkrimis im Urlaubsreisegepäck unterbringen oder auf dem Nachttisch bereitlegen.

Doch jetzt haben die dänischen Leserinnen und Leser auch die Chance, einer dänischen Krimiheldin zu begegnen, denn im Aschehoug-Verlag ist der erste Frauenkrimi der Journalistin und Autorin Gretelise Holm erschienen. Und nach den Reaktionen der deutschen Verlagshäuser zu urteilen wird dies nicht der letzte sein, denn schon bevor der Roman überhaupt bei uns
1 erschien, standen ein halbes Dutzend Verlage aus Deutschland Schlange, um sich die Rechte an Paranoia
 
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(deutsch "Ein anständiger Mord", erschienen 2002 bei List) zu sichern.
Dabei ließen sie sich auch nicht davon abschrecken, dass die Handlung in einer kleinen Stadt irgendwo in Südseeland spielt, wo noch der Chefredakteur, der Amtsarzt, der Polizeichef, der Leiter der Bürgerwehr, die Reporter des Lokalblattes, der örtliche Firmenboss, die großmäuligen Hochstapler und Sozialfälle, ja die ganze Bande aufgeblasener Selbstdarsteller anzutreffen und in all ihrer Gewöhnlichkeit von oben bis unten, von vorne und hinten, von innen und außen zu bewundern ist.

Der Gewinner dieser Buchauktion erhielt die Publikationsrechte für eine halbe Million Kronen, und daher ist verständlich, dass die Autorin sich bemüht, sowohl ihre eigenen Erwartungen als auch die ihres Umfeldes hinsichtlich Paranoia zu dämpfen - doch das ist nicht leicht.

"Jetzt müssen wir erstmal abwarten, wies läuft. Ich habe das Buch zur Probe 25 bis 30 Personen aus meiner Familie und meinem Freundeskreis gegeben und nur positive Reaktionen bekommen. Die meisten sagen dass sie es in einem durchgelesen haben, und meine 28-Jährige Tochter fand es schade, dass es so schnell zu Ende war. Das ist wohl das größte Kompliment, das man kriegen kann, wenn man daran denkt, wie kritisch Töchter ihren Müttern gegenüber sein können", sagt Gretelise Holm.
In Paranoia, das als Auftakt einer Krimiserie gedacht ist, stehen zwei Frauen im Mittelpunkt des Geschehens: Die 55-Jährige Journalistin Karin Sommer und die 34-Jährige Anwältin Andrea Vendelboe. Beide werden in ein Netz aus Mord, Scheidung, Frauenhandel mit Prostituierten aus den osteuropäischen Ländern und Familiendramen unterschiedlichster Art verwickelt, und dem Leser bleibt kaum Zeit zum Luft holen, bevor das erste Opfer am Deckenbalken der Küche baumelt, nachdem eines der Familienmitglieder buchstäblich den Stuhl unter den Füßen des Vaters weggetreten hat, der für alle im Haus nichts als eine unerträgliche Plage war.
"Ja, in meiner Geschichte passiert eine ganze Reihe von Verbrechen, aber dabei geht es nicht um die Stellung oder Position, in der die Leiche gefunden wird oder darum, wie Hirnmasse an die Wände spritzt."



Sozialkritischer Gegenwartsroman

"Die Idee war, einen Krimi und einen sozialkritischen Gegenwartsroman in einem Buch zu zusammenzubringen. Der Krimi ist dabei der Motor der zeitgenössischen Teile. Die Geschichte wird aus dem Blickwinkel einer Frau erzählt, und so wie ich das sehe, geht es mehr um die psychologischen Dramen als um das rein Technische. Und dann gibt es da natürlich eine Menge Frauen, die sehen müssen, wie sie mit ihren 80 Prozent Gehirnkapazität im Leben zurechtkommen", sagt Gretelise Holm und lacht laut, während sie kopfschüttelnd auf eine Meldung hinweist, die vor kurzem durch die Tageszeitungen geisterte und in der ein Wissenschaftler behauptete, Frauen seien dümmer als Männer.


Wie ein Bilderrätsel

Gretelise Holm ist ausgebildete Journalistin und hat u. a. 12 Jahre für Politiken2 gearbeitet. Danach war sie einige Zeit als Lehrerin an der Dänischen
  Gretelise Holm bei schwedenkrimi.de
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- Exklusiv-Interview im Rahmen des Krimimesse Dänemark Specials
Journalisten-Hochschule tätig, bevor sie und ihre Familie für einige Jahre nach Zimbabwe gingen, wo ihr Mann als Arzt arbeitete.
Indirekt haben auch die Erlebnisse in Afrika dazu geführt, dass Gretelise Holm nun unter die Krimiautorinnen gegangen ist, denn in den letzten Jahren ihres Zimbabweaufenthalts schrieb sie den Roman Mercedes-Benz Syndromet3 , ein kritischer Thriller, der sich mit der Entwicklung in dem afrikanischen Land auseinandersetzt. Das Buch wurde mit dem Debütantenpreis der Dänischen Krimiakademie ausgezeichnet und veranlasste Charlotte Jørgensen, Redakteurin bei Aschehoug, einen dänischen Frauenkrimi bei Gretelise Holm zu bestellen.

Mit den eigentlichen Arbeiten zu Paranoia begann die Autorin zu Ostern des vergangenen Jahres und brachte das Buch neben ihrer Arbeit als vollbeschäftigte Journalistin zu Ende. "Davor habe ich lange gebraucht, um mir den Plot auszudenken. Ich habe das Ganze aufgezeichnet, damit die Handlungszusammenhänge auch stimmig waren. Einen Krimi zu schreiben ist ein bißchen wie ein Bilderrätsel zusammenzustellen, und das Schwierige ist, dass man als Autorin von einem Bild seiner Geschichte zum anderen springen muss, um nicht zu viele Informationen preiszugeben. Der Schuldige muss ja in der Handlung vorkommen, ohne dass man zuviel verrät. Und der Leser soll ja schließlich auch die Möglichkeit haben, mitzurätseln", sagt Gretelise Holm. Dabei kommt es ihr nicht so sehr darauf an, ob jemand vorzeitig dahinter kommt, wer der Mörder ist - man kann sich ja schließlich auch irren -, sondern darauf, dass die Handlung glaubhaft ist. Der Mörder ist ebensowenig eine Person, die im letzten Kapitel aus dem Hut gezaubert wird wie die Romanfiguren vollständig der Phantasie entsprungen sind.
"Es gibt keine Schlüsselfiguren in meinem Buch. Es handelt vielmehr unter anderem von der faszinierenden Grenze zwischen Psychopatentum und Vernunft, und von der Sorte sind mir eine ganze Reihe Menschen begegnet. Menschen die meinen, dass etwas gerechtfertigt ist, nur weil es ihnen nützt. Das sind Leute, die was auch immer rechtfertigen. Und das ist ein wenig beängstigend, obwohl sie bis zu einem gewissen Grad recht haben, denn warum ist es so, dass manche Verhaltensweisen besser sind als andere? Wir glauben, wir wissen es, weil wir danach erzogen wurden", meint Gretelise Holm.


Ein Mensch mit Grundsätzen und Meinungen

Doch kommt sie nicht als eine neue Ausgabe der Sjöwall-Wahlöö-Reihe aus den 70ern daher, die ihren Lesern sagt, welche Schlüsse sie aus dem Buch ziehen sollen. Das sie aber dennoch ein Mensch ist, der nach bestimmten Grundsätzen lebt und bestimmte Meinungen vertritt, versucht sie keinesfalls zu verbergen. Es ist kein Zufall, dass es gerade Gretelise Holm war, die nach ihrer Zeit bei Politiken als Kriminal- und Gesellschaftsreportein das Buch Lov og ret - magtens medløbere4 herausgab. "Ich habe keine Botschaft, aber ich kann nicht schreiben, ohne damit etwas bewirken zu wollen. Natürlich möchte ich, dass man darüber nachdenkt, was in unserer Gesellschaft vorgeht, und dass man sich die Zeiten ansieht, in denen wir leben. Aber ich habe auch versucht, eine Geschichte zu schreiben, bei der das Lesen Spaß macht", sagt die Autorin.
Dass sie sich für eine etwas ältere Journalistin und eine etwas jüngere Anwältin als Hauptfiguren entschieden hat ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie selbst Journalistin ist, sondern hat auch damit zu tun, dass auf diese Weise zahlreiche Ansatzpunkte für eine Fortsetzung ihrer Romanserie entstehen, denn in beiden Berufen hat man Kontakt mit breiten Teilen der Gesellschaft. Daneben repräsentieren die Figuren unterschiedliche Generationen und erhalten im Laufe der Serie die Möglichkeit, sich zu entwickeln. "Es ist kein Selbstporträt, aber dadurch, dass ich über eine Journalistin schreibe, die 55 Jahre alt ist, spare ich ja eine ganze Menge an Recherchearbeit und kann auf meine eigenen Erfahrungen zurückgreifen", sagt Gretelise Holm.
In Paranoia nutzt sie ihre Erfahrung als Journalistin u. a. um zu beschreiben, wie die Presse ihrer Ansicht nach von einem den Machthabern gegenüber kritischen Organ zu etwas geworden ist, das nahezu einen Teil des Machtapparates bildet. "Heute haben wir Fernsehzeitungen, in denen es direkte Links zu den Homepages der Polizei gibt. Wo es früher darum ging, die Rechtssicherheit der Bürger zu bewahren, geht es heute fast nur noch um Verbrecherjagd, was ja auch sein muss. Aber gleichzeitig muss der Machtapparat kritisch durchleuchtet werden, und das geschieht heute sehr selten", meint Gretelise Holm.

Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
Ihre Arbeit als Journalistin bei einer Tageszeitung beendete sie vor ungefähr 20 Jahren, weil ihr das Straffen und Kürzen der Texte und Artikel zu weit ging. "Bei einer Zeitung hat man es schwer, wenn man über eine Sache berichten soll, die mehr als zwei Seiten hat. Und mit zunehmendem Alter wird es immer schwieriger, sich mit dieser vereinfachten Sichtweise der Welt abzufinden", sagt sie.
Seit sie sich von der Tagesjournalistik verabschiedet hat, hat sie eine ganze Reihe Kinder- und Jugendbücher samt einigen Fach- und Lehrbüchern verfasst. Mehr als 25 Buchpublikationen hat sie heute zu Buche stehen, und viele von ihnen wurden übersetzt. Ihr Buch Et hjerte til Maria ist in großer Auflage in Schweden erschienen und wird dort zurzeit auch verfilmt. Es ist auch in Japan in mehreren Auflagen veröffentlicht worden.
Gretelise Holm will versuchen, zukünftig davon zu leben, Schriftstellerin zu sein, ohne damit dem Journalismus vollständig abzuschwören. Ebenfalls schließt sie nicht aus, zu einem späteren Zeitpunkt einen Versuch zu unternehmen das zu schreiben, was andere als `richtige´ Literatur ansehen.
Bei ihrem Verlag hat man keine Zweifel, dass Paranoia den Auftakt einer Krimireihe darstellt, doch die Autorin selbst gibt sich zurückhaltend. Sie weiß sehr wohl, dass eine Serie aus wenigstens drei Büchern besteht und hat auch schon über den Plot von Nummer zwei nachgedacht, aber sie wird nicht - wie selbst sagt - mit dem Schreiben anfangen, bevor sich abzeichnet, wie der erste Roman aufgenommen wird. Dass es Leser für gut geschriebene Krimis mit Frauen an der Spitze des Figurenensembles gibt, wissen aber sowohl sie selbst, ihr Verlag als auch jeder, der sich in Welt der Bücher auskennt.


Legende
1 Gemeint ist: In Dänemark
2 eine der führenden dänischen Tageszeitungen
3 Das Mercedes-Benz-Syndrom
4 Recht und Gesetz - die Mitläufer der Macht
"Ich weiß nicht, warum Frauenkrimis in Dänemark nicht schon früher geschrieben wurden. Ich habe selbst immer sehr viele Krimis gelesen. Aber vielleicht werden Krimis nicht als fein genug angesehen. Mir persönlich ist es allerdings egal, ob die Leute meinen, es sei richtige Literatur. Es ist auch nicht so, dass ich meine, ich müsste nach den Krimis unbedingt etwas schreiben, das `feiner´ ist. Ich sehe mich selbst nicht als eine literarische Größe und bin zufrieden, wenn die Leute die Bücher lesen", sagt sie.
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