Was kann man über Horsens sagen? Vielleicht dass man dort die breiteste 
    Fußgängerzone Nordeuropas findet. Oder dass Vitus Bering, der große 
    Entdecker, in Horsens geboren wurde. Oder dass dort seit 2001 die Krimimesse 
    der Dänischen Krimiakademie stattfindet. Ein ganzes Wochenende lang kommen 
    dann Autoren, Experten, Fans und Leser im Horsens Ny Teater zusammen, um das 
    Neuste über Krimis auszutauschen. Höhepunkt ist die Verleihung des 
    Palle-Rosenkrantz-Preises, des Dänischen Krimipreises. Eine handvoll 
    versprechender und erfolgreicher dänischer Autoren erhält zudem 
    ein Diplom. Doch in diesem Jahr war irgendwie alles anders.
  Ost meets West in Nord
  
  Aus südöstlicher Richtung nähert sich über die A7 ein 
    nicht mehr ganz so junger Opel Astra, aus südwestlicher Richtung eine 
    beunruhigend kleine Fokker 50 via Amsterdam. Der Opel war am Abend zuvor noch 
    in Berlin, wo in der Schwedisch-Dänischen Botschaft Pipers neues, nordisches 
    Programm "Piper Nordiska" vorgestellt wurde. Die Insassen der Fokker 
    50 standen kaum 24 Stunden zuvor noch im selben Stau auf der A3 am Breitscheider 
    Kreuz, den sie jetzt endlich einmal in Nullkommanichts überfliegen. Richtig, 
    das Literaturportal schwedenkrimi.de hat sich in den Norden aufgemacht, um 
    ein Diplom der Dänischen Krimiakademie in Empfang zu nehmen. Und das 
    Unglaubliche geschieht: Ohne Ortskenntnisse und ohne konkrete Adressdaten 
    trifft man sich am Freitagabend in Jørgensens Hotel, Horsens bestem 
    Hotel am Platze, um gespannt der Dinge zu harren, die da kommen mögen. 
    Zuerst kommt da Anne, bei der das Rostocker Duo Sebastian und Annette im Souterrain 
    logiert. Die Fokker 50 genießt es, im schönsten Hotel der Welt 
    zu übernachten und ignoriert gekonnt die finanziellen Aspekte dieser 
    Art der Übernachtung. 
  Der Däne trotzt dem Wetter
  Zur Freude aller ist Anne Deutschlehrerin am örtlichen Gymnasium und 
    spricht ein so glockenklares Deutsch, dass das breite Norddeutsch an diesem 
    Abend noch breiter wirkt als üblich und jedes "Datt" und "Watt" 
    aus Wessis Mund noch härter. Aber Anne stört das gar nicht. Was 
    ein echter Däne ist, den stört scheinz` Wind und Wetter auch nicht. 
    Das deutsche Quartett nimmt im Opel Platz und folgt einer Anne, die auch bei 
    0 Grad und stürmischem Wind zügig in ihre Fahrradpedale tritt und 
    uns zu sich nach Hause lotst.
  Weimar, Wuppertal - Hauptsache Bildung
  Dort ist das Quartett zunächst von der beeindruckenden Bibliothek begeistert, 
    und das Abendessen ist ernsthaft in Gefahr. Doch zum Glück haben wir 
    einen echten Technikfreak unter uns, dem in den Büchern viel zu wenig 
    Bilder drin sind, wenn es denn schon keine Fachbücher sind. So trollen 
    wir uns eine Etage nach oben und bestaunen skandinavisches Design at its best. 
    In der wohltemperierten, großzügigen Küche gibt es wohltemperierten, 
    italienischen Wein - die Wikingerzeit ist schon lange vorbei! - und exzellenten 
    Pasta-Salat. Die Gespräche verlaufen irgendwo zwischen Weimar und Wuppertal, 
    zwischen Goethe, "Ich les gar keine Bücher" und "Damals 
    in der DDR" und wie man Kinder am besten unterrichtet - oder es sein 
    lässt. Kurz vor Mitternacht erinnern wir uns, dass wir ja morgen eine 
    tragende Rolle innehaben und trollen uns in unsere Betten.
  "Sie sind gar keine Autorin?!"
  Punkt 10 wird die Krimimesse feierlich vom Bürgermeister eröffnet 
    - auf Dänisch, Deutsch und Französisch, aber die Franzosen haben 
    wir nicht gesehen. Weil wir alle des Dänischen nicht so mächtig 
    sind, schleichen wir uns nach dem ersten Beitrag raus in das stürmisch-kalte 
    Horsens. Jetzt ist Nordeuropas breiteste Fußgängerzone dran, bestaunt 
    zu werden. Kurz vor halb eins trudeln wir wieder am Theater ein und verpassen 
    bald unsere eigene Preisverleihung - ein Referent war erkrankt und man hatte 
    die Preisverleihung vorgezogen. Zum Glück besitzen wir die gute, deutsche 
    Tugend (über)pünktlich zu sein und können gleich ohne Pause 
    auf die Bühne. Der Bürgermeister höchst selbst lässt es 
    sich nicht nehmen, uns auf Deutsch zu ehren. Wir sind stolz! Wir sind glücklich! 
    Wir sind wir. Wir bekommen Applaus, das Lokalfernsehen ist da und die Zeitung 
    auch. Ein Autogramm darf ich dann aber doch nicht geben, als die nette Frau 
    versteht, dass ich gar keine Autorin bin, sondern nur so eine von einer Internetseite. 
    Schade. Solche Stars sind wir dann also doch nicht. Am Abend treffen wir uns 
    wieder zum großen Galadinner mit Krimiquizz - und weil es auch deutsche 
    Gäste gibt (ganze vier, alle anderen sind des Dänischen irgendwie 
    mehr oder wenig mächtig) wird es auch in englischer Sprache gespielt.
  Stranded Passengers at Schiphol airport
  Als wir gegen Mitternacht die Feier verlassen, vergießt der dänische 
    Wettergott seine ersten, großen Tränen - wir auch: Abschied nehmen. 
    Farvel. Für den Opel geht es am nächsten Morgen in mehr als vierstündiger 
    Fahrt im strömenden Regen gen Rostock, die Fokker 50 hat Verspätung, 
    verpasst den Transferflug von Amsterdam nach Düsseldorf, hetzt am Airport 
    Schiphol über eine Stunde wie blöd von einem Informatiedesk zum 
    nächsten, um doch nur festzustellen, dass 15 Grad Temperaturunterschied 
    überhaupt nicht positiv auf die Stimmung, sondern nur auf die Schweißproduktion 
    wirken und dass es einfach partout keinen weiteren Rückflug mehr an diesem 
    Abend nach Düsseldorf gibt. "Sie können den Zug nehmen. Aber 
    der geht nur bis Arnheim. Bis Emmerich verkehrt dann ein Bus im Pendelverkehr." 
    Aha. Emmerich also. Eigentlich wollten wir ja nach Düsseldorf oder besser 
    noch nach Hause, nach Oberhausen
 Erbarmungsloses Kopfschütteln. 
    No way. Die Fokker 50 ist jetzt bald 12 Stunden unterwegs und gibt entnervt 
    auf. Übernachtung im Motel an der A4. Na gut, die Fluggesellschaft zahlt 
    und wir kriegen noch eine 5-Euro-Telefonkarte und ein Essen - was will man 
    mehr? Vielleicht 'ne eigene Fokker zur nächsten Preisverleihung. Damit 
    wir pünktlich kommen. Nach Hause also - und zur Preisverleihung.